[Rezension] Geschwister!

Allerdings … wenn er im Ferienlager ist, vermisse ich ihn doch … ein bisschen. Weil er mich oft zum Lachen bringt. – Rocio Bonilla

Quelle: Amazon.de

Buchdetails
Autorin und Illustratorin: Rocio Bonilla – Übersetzerin: Renate Loew – Herausgeber: JUMBO Verlag – Erscheinungsjahr: 2019 – Buchlänge: 56 Seiten – Altersempfehlung: ab 3 Jahren – Preis: 15 € – ISBN: 978-3-8337-3959-0 – Hier kaufen

Inhalt
In dieser Geschichte geht es um zwei Geschwister. Die beiden können sich nicht ausstehen. Die große Schwester ist genervt von ihrem kleinen Bruder, weil sie ständig auf ihn aufpassen muss, anstatt etwas mit ihren Freundinnen machen zu können. Und zum Dank geht er an ihre Sachen und macht alles kaputt. Und wenn sie ihn mal ärgert, dann heult er natürlich sofort rum.
Der kleine Bruder ist von seiner großen Schwester genervt, weil sie immer so bestimmerisch sein muss. Ständig behandelt sie ihn wie ein kleines Baby und geht bei jeder Kleinigkeit an die Decke.
Aber dennoch haben die beiden sich lieb – auch wenn sie es vielleicht nicht immer zugeben wollen. Doch dann…

Meine Meinung
Der JUMBO Verlag hat mit dem Bilderbuch Geschwister! mal wieder ein wunderbares und besonderes Bilderbuch von Rocio Bonilla, der Autorin und Illustratorin von Welche Farbe hat ein Kuss?, herausgebracht.
Die Bücher von Bonilla sind ja sowieso schon immer sehr besonders. Hier wird das Ganze aber noch einmal getoppt. Denn: Das Bilderbuch lässt sich wenden. Die Geschichte wird so aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erzählt: der Sicht der großen Schwester, für die der kleine Bruder ein Affe ist; und der Sicht des kleinen Bruders, für den die große Schwester ein Nashorn ist. Dadurch sind die Rezipienten gefordert, sich in zwei Perspektiven bzw. Charaktere hineinzuversetzen und deren Ansichten nachzuvollziehen. Außerdem kann dies auch zur Entwicklung von Empathie beitragen – denn oft weiß man als jeweiliger Geschwisterteil ja gar nicht, dass der andere vielleicht auch von einem selbst genervt ist.
Die Geschichten werden beide nach dem gleichen Schema erzählt. Zunächst sagen beide Kinder zu Beginn, dass sie den jeweils anderen nicht mögen. Hierfür werden dann anhand einzelner Beispiele Gründe für diese Gefühle aufgezählt. Diese werden allerdings verallgemeinert dargestellt, weil sie regelmäßig auftreten. Danach werden allerdings auch einige Gründe dafür genannt, warum der jeweils andere vielleicht doch nicht ganz so schlimm ist, wie es zu Beginn den Anschein hatte.
Am Ende treffen die beiden Teile in einer gemeinsamen Szene aufeinander. Hier sind die beiden Geschwister sich dann plötzlich einer Meinung.
Der Text ist einfach zu verstehen und dennoch ansprechend. Durch die vielen relativ kurzen Sätze wirkt es fast poetisch. Pro Seite gibt es höchstens zwei oder drei Sätze, die jeweils in einer gut leserlichen Grundschrift gehalten sind. Daher eignet sich das Bilderbuch auch gut zum eigenständigen Lesen ab etwa Ende der 1. Klasse.
Für Geschwister bietet das Buch hervorragende Identifikationsmöglichkeiten. Denn: Alle Geschwister streiten einmal! Und diese Tatsache wird von Bonilla auf eine wunderbare Weise behandelt.
Nun aber zum eigentlichen Herzstück des Bilderbuchs: Die Bilder!
Ohne die Bilder würde der Geschichte ein wichtiger Teil fehlen. Die Illustrationen sind wunderschön – in Bonillas ganz eigenem Stil. Die Farben sind eher dezent mit vielen kleineren Farbakzenten, die hervorstechen. Es gibt einige kleinformatige Illustrationen auf weißem Hintergrund und großformatige Illustrationen, die eine Doppelseite ausfüllen. Außerdem stellen die Illustrationen zum Teil nur eine einzelne Szene dar oder aber eine Abfolge von mehreren kleinen, zusammenhängenden Ereignissen. Sehr witzig ist, dass man teilweise den einen Teil der Geschichte nur dann ganz versteht, wenn man auch den anderen Teil gelesen und betrachtet hat. Die Bilder sind sehr aussagekräftig und erzählen viel über den Text hinaus. Der Text ist vergleichsweise zurückhaltend, denn erst in den Bildern erfahren wir, was genau passiert. Gerade zum Ende, wo die beiden Teile aufeinanderstoßen, sind die Bilder unabdingbar. Außerdem sind die Illustrationen an die Sicht des jeweilig Erzählenden angepasst. Die Schwester sieht daher in den Erzählungen des Bruders wirklich aus wie ein Nashorn – und der Bruder in den Erzählungen der Schwester wie ein Affe – beides natürlich sehr niedlich!

Fazit
Erneut ein wahres Meisterwerk von Rocio Bonilla, das eine Geschichte aus dem Alltag vieler Kinder erzählt. Aber auch wenn es hier um Geschwister geht, ist das Bilderbuch auch für Einzelkinder geeignet – meine Tochter liebt es! Text und Illustrationen ergänzen sich hervorragend und machen das Bilderbuch so zu einer sprachlich ansprechenden, lustigen Geschichte mit viel Potenzial. Von mir wohlverdiente 5 Sterne und ein sehr zu empfehlen.

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

Besondere Einsatzmöglichkeiten
Das Bilderbuch hat ein großes Potenzial für das literarische Lernen. Die Illustrationen regen die Vorstellungsbildung an und erfordern es gleichzeitig, genau hinzusehen und aufzupassen, um die Geschichte ganz zu verstehen. Dadurch, dass die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt wird, können Geschwister (ob älter oder jünger) gleichermaßen angesprochen werden und Identifikationsmöglichkeiten finden. Daneben bietet es aber auch die Möglichkeit der Perspektivübernahme und der Ausbildung von Empathie. Die kindlichen Rezipienten können gut in den Vorleseprozess integriert werden – sei es, dass sie Vermutungen anstellen oder über ähnliche Erfahrungen mit ihren Geschwistern sprechen. Für die Grundschule bieten sich im Zusammenhang mit diesem Bilderbuch Rollenspiele und Schreibanlässe an. So kann jeder Schüler/jede Schülerin wählen, aus welcher Perspektive er/sie schreibt. Hier könnten die Geschwister dem jeweils anderen einen Brief schreiben, in dem sie darüber reden, was sie stört. Kinder ohne Geschwister könnten auch einen Brief an einen Freund schreiben, in dem sie erzählen, was sie am Einzelkinddasein gut – oder doof – finden. Dies sollte allerdings von den Kindern selbst gewählt werden, um niemanden auszuschließen!
Außerdem könnten die SuS eine eigene Geschichte in dem Stil erfinden und vielleicht ein ganz anderes Tier wählen. Ihr seht: Vielfältige Möglichkeiten!


Ähnliche Beiträge:

Welche Farbe hat ein Kuss?

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..