[Rezension] Welche Farbe hat ein Kuss

Welche Farbe hat ein Kuss? Kann ich ihn rot malen wie meine Spaghettisoße? – Rocio Bonilla

Quelle: JUMBO Verlag

Buchdetails
Autorin und Illustratorin: Rocio Bonilla – Herausgeber: JUMBO Verlag – Erscheinungsjahr: 2018 – Buchlänge: 32 Seiten – Altersempfehlung: ab 2 Jahren – Preis: 15 € – ISBN: 978-3-8337-3810-4 – Hier kaufen

Inhalt
Minimia malt für ihr Leben gern. Sie malt alle möglichen Dinge in allen möglichen Farben. Aber sie möchte auch gerne mal etwas Ungewöhnliches malen: einen Kuss. Nur leider weiß sie gar nicht, welche Farbe ein Kuss hat. Also fängt sie an, sich darüber Gedanken zu machen. Kann ein Kuss rot sein, wie ihre Tomatensoße? Oder braun wie süße Schokolade? Oder rosa wie ihre Lieblingstörtchen? Egal welche Farbe ihr auch einfällt, irgendetwas passt nie. Ob ihre Mama ihr wohl helfen kann und weiß, welche Farbe ein Kuss hat?

Meine Meinung
Dieses Bilderbuch muss ich euch einfach vorstellen, weil ich es so wundervoll finde. Hier wird die Geschichte der kleinen Mia (Minimia) erzählt, die sich einer interessanten und vielleicht auch etwas philosophischen Frage widmet – der Farbe von Küssen. Die Geschichte fängt mit einer kleinen Einleitung an, in der Minimia sich und ihre Interessen vorstellt. Dann findet eine gute Überleitung zum eigentlichen Thema statt.
Im Hauptteil werden dann, immer nach dem gleichen Muster, unterschiedliche Farben vorgeschlagen. In den meisten Fälle sagt Minimia dann erst einmal, was ihr an der jeweiligen Farbe gefällt und mit welchen positiven Dingen sie diese Farbe verbindet. Dann fallen ihr allerdings auch Dinge in dieser Farbe ein, die sie gar nicht mag – grünes Gemüse, Bienen, Hundekacka…
Nur bei drei Farben am Ende fängt sie erst an, die negativen Seiten dieser Farben aufzuzählen und findet dann noch etwas Positives an diesen.
Die Geschichte hat ein sehr schönes Ende, welches meine Tochter und ich bereits als Ritual eingeführt haben. Hier bleibt dann für die Kinder auch Raum für Diskussionen und eigene Ideen. Auf einer Doppelseite, die nicht farbig ist, werden die Kinder dazu aufgefordert, Herzen in den Farben auszumalen, die sie einem Kuss zuschreiben würden. Sehr tolle Idee! Damit warte ich bei meiner Tochter aber noch ein bisschen.
Die Sprache ist sehr einfach und kindgerecht, aber ich finde sie dennoch leicht poetisch. Es wird viel mit rhetorischen Fragen und offenen Textstellen gearbeitet, wodurch die kindlichen Zuhörer angesprochen werden und ihre Meinung äußern können. Außerdem gibt es einige Identifikationsmöglichkeiten, auch für Jungen. Mia ist nicht das typische Mädchen, das Prinzessinnen und Feen toll findet – das finde ich auch mal ganz abwechslungsreich. Was mir nicht so gut gefällt, ist, dass Bienen hier als angsteinflößend und aggressiv dargestellt werden – da bestünde beim Vorlesen definitiv Gesprächsbedarf! Ich finde den Wechsel der Schriftarten, um einzelne Wörter oder direkte Rede zu markieren, ganz toll. Neben der Standardschrift gibt es noch eine Schreibschrift und zwei Schrifttypen mit Großbuchstaben. Das ist nicht nur abwechslungsreich, sondern hilft dem Vorleser auch, bestimmte Wörter zu betonen. Außerdem können die Kinder so vielleicht bereits einige Wörter mitlesen. Außerdem lobenswert ist, dass der Text vereinzelt in Sprech- oder Gedankenblasen integriert ist.
Nun aber zu den wundervollen Illustrationen. Während Minimia rein zeichnerisch und in Weiß, Grau und Schwarz gehalten ist, gibt es auf allen Seiten Farbakzente und einige Seiten sind sogar ganz in Farbe. Je nachdem, welche Farbe auf einer Doppelseite thematisiert wird, dominiert diese. Daher finde ich es sinnvoll, dass Minimia farblich eher dezent dargestellt ist. Vereinzelt wird sie aber auch komplett in einer Farbe gezeichnet, um bestimmte Emotionen wie Wut, Ekel und Traurigkeit zu veranschaulichen. Die Emotionen werden meist in unterschiedlichen Facetten dargestellt, sodass man dann auf einer Seite auch mal mehrere Minimias in unterschiedlichen Stadien von Wut und Trauer vorfindet. Die Emotionen bringt die Illustratorin sehr gut rüber! Oft finden sich auf einer Seite neben Minimia nur einige wenige Objekte in der jeweiligen Farbe. Dann gibt es auch Seiten, wo der Hintergrund komplett in Farbe ist.
Es werden unterschiedliche Stile verwendet: Zeichentechniken und Aquarell- oder Wasserfarben. Auch das macht dieses Bilderbuch umso mehr zu einem Kunstwerk.
Ganz hinten befindet sich ein Poster mit einer Messleiste, welches ins Kinderzimmer gehängt werden kann. Darauf zu sehen ist eine unserer Lieblingsillustrationen aus dem Buch.

Fazit
Ein ganz wundervolles, facettenreiches und künstlerisches Bilderbuch über die Bedeutungen von Farben. Rocio Bonilla gelingt es hier, ohne viele Worte einer interessanten Frage nachzugehen und dabei auch den symbolischen Bedeutungen von Farben Rechnung zu tragen. Eine Geschichte, die viele Anlässe zu wertvollen Gesprächen bietet und durch die bezaubernden Illustrationen überzeugt. Von mir 5 Sterne und ein sehr zu empfehlen – denn dieses Bilderbuch darf wirklich in keinem Kinderzimmer oder Klassenzimmer fehlen!

Das Bilderbuch habe ich mir selbst gekauft und stelle es hier freiwillig und aus vollster Überzeugung vor.

Besondere Einsatzmöglichkeiten
Da in diesem Bilderbuch Farben und Emotionen thematisiert werden, gibt es vielfältige Möglichkeiten für den Einsatz. Zum Einen eignet es sich, um kleineren Kindern die Farben näherzubringen. Da auf jeder Seite nur die eine Farbe, um die es gerade geht, zu sehen ist, kann dies das Verständnis davon, was eine Farbe überhaupt ist, unterstützen. Außerdem kann das Bilderbuch im Kindergarten oder in der Grundschule zur Förderung von sprachschwächeren Kindern und Kindern mit Deutsch als Zweitsprache herangezogen werden. Hier lernen die Kinder nicht nur die Farben kennen, sondern auch einige andere alltägliche Objekte, Tiere, Lebensmittel. Außerdem können sie zum Sprechen animiert werden, indem sie selber Dinge nennen, die in dieser Farbe sind.
Auch für den Kunstunterricht zur Einführung der Farben bietet sich die Arbeit mit dem Bilderbuch an. Im Ethikunterricht könnte über die symbolische Bedeutung von Farben diskutiert werden – etwa über die Gefühle und Emotionen, die Farben verdeutlichen. Oder über eine Frage, die im Buch kurz angesprochen wird: Sind gute Ideen gelb?
Da das Buch so beliebt ist, gibt es auch eine englische Version. Diese würde sich auch hervorragend für den Englischunterricht eignen, gerade weil der Text eher zurückhaltend und simpel ist und eine wiederkehrende Struktur aufweist. Ich denke, das Buch werde ich mir definitiv irgendwann noch auf Englisch anschaffen.
Hinsichtlich der Emotionen kann das Bilderbuch auch in unterschiedlichen Fächern angewendet werden. Hier bietet sich an, auch andere Farben und deren Emotionen zu erforschen.
Auch für Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale Entwicklung kann das Bilderbuch vielleicht als Anlass genommen werden, um über Gefühle zu sprechen und diese durch Farben zu veranschaulichen.

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