[Rezension] Der stille Stein

Was macht einen Stein so besonders? Damit beschäftigt sich Brendan Wenzel, der nicht nur die eine Perspektive berücksichtigt, die wir auf den ersten Blick wahrnehmen, sondern mehr in dem Stein und seiner Umgebung sieht. Denn wie es immer im Leben ist, kommt es doch auf die Perspektive an – so sieht das eine Tier in dem Stein eine geeignete Zuflucht, dem anderen Tier wird er zur Gefahr. Aber eines ist klar: Auch wenn man den Stein irgendwann nicht mehr sieht, so ist er doch für immer.

Inhalt

Es war einmal, irgendwo auf der Welt, ein Stein, der „lag still mit Wasser, Gras und Dreck“. Der Stein war aber nicht nur ein gewöhnlicher Stein, denn, je nachdem zu welcher Tageszeit oder unter welchen Umständen man ihn betrachtet, sieht man etwas anderes. Mal ist er laut, mal leise. Mal war er glatt, mal rau. Für große Tiere wirkte er wie ein kleiner Kiesel, für kleine Tiere wiederum wie ein riesiger, unüberwindbarer Berg. Manchen Tieren bot er ein Heim, anderen wiederum Schutz vor Gefahren.

Buchdetails

Autor & Illustrator: Brendan Wenzel – Übersetzer: Thomas Bodmer – Herausgeber: NordSüd Verlag – Erscheinungsjahr: 2019 – Buchlänge: 56 Seiten – Altersempfehlung: ab 4 Jahren – Preis: 16 € – ISBN: 978-3314105012 – Hier kaufen

Meine Meinung

In der Geschichte geht es um einen eher ungewöhnlichen Protagonisten – einen Stein. Der Stein liegt immer an derselben Stelle, aber dennoch sieht er nie gleich aus. Mal sieht man ihn bei Mondschein, dann bei Sonnenschein. Mal wirkt er sehr klein, mal riesig groß. In einer anderen Szene sieht man seine Strukturen sehr gut, dann wiederum ist er sehr glatt. Meist wird eine Doppelseite für eine Szene/Perspektive verwendet, vereinzelt auch nur eine Seite oder die Hälfte einer Seite.

Sprachlich ist die Geschichte einfach gehalten und wirkt dadurch poetisch. Wiederholt kommen die Worte „und er lag wo er lag, mit Wasser, Gras und Dreck, und er war, wie er war, wo er war in der Welt.“ Die Verwendung von Wörtern mit dem gleichen Anlaut stellt ein sprachliches Mittel dar, das zum literarischen Lernen der Kinder beitragen kann. Ansonsten beginnen die Sätze im Buch jeweils durch die Worte „Und der Stein war…“.

Auf nahezu jedem Bild befindet sich mindestens ein Tiermotiv, was auch verständlich ist, da der Autor und Illustrator diese bevorzugt malt. Die Tiere sind eher abstrakt und verniedlicht dargestellt und vereinzelt sind sie gut an die Umgebung angepasst, sodass man erst einmal genauer hinschauen muss, um sie zu entdecken.Trotz der Abstraktheit haben sie schon eine gewisse Detailliertheit und Strukturen wie Fell oder Schuppen werden gut herausgearbeitet.

Im Mittelpunkt der Illustrationen steht natürlich immer der Stein, der manchmal gut sichtbar in all seinen Details, manchmal nur verschwommen oder als Schatten dargestellt ist. Die Perspektive, um die es jeweils geht, wird hierbei immer berücksichtigt und durch die Bildebene noch hervorgehoben. So wirkt der Stein neben einem großen Elch plötzlich wirklich klein, während man zuvor eher den Eindruck hatte, dass er sehr groß ist. Neben einem Insekt wiederum wirkt der Stein so riesig, dass einem fast schwindelig wird.

Das Buch regt hervorragend zum Nachdenken über Steine an. Geben wir es doch zu, so wirklich Gedanken darüber, wie unterschiedlich ein Stein wirken kann, haben wir uns doch vorher nie gemacht. Steine sind immer da, meist werden sie nicht wirklich von uns beachtet. Sie sind still, grau und eher unspektakulär. Aber nicht in diesem Buch! Hier sehen wir, wie der Stein – den es vermutlich schon länger gibt als wir denken können – den unterschiedlichsten Tieren, Tageszeiten, Jahreszeiten, Umweltbedingungen begegnet. Dabei bleibt er genau da, wo er ist – auch als er scheinbar für immer weg verschwunden ist – von metertiefem Wasser vergraben.

Ich habe mir direkt gedacht, als ich das Cover dieses Bilderbuches gesehen habe, dass es sich hierbei um ein ganz besonderes Werk handelt. Und ich wurde sogar noch überrascht, denn dieses Buch ist ein wahres Meisterwerk. Es behandelt ein Thema, über das sich vermutlich die wenigsten Menschen je Gedanken gemacht haben. Ein einfacher Stein, der aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen plötzlich gar nicht mehr so unscheinbar ist und viele Geschichten zu erzählen vermag. Mit nur wenig und einfachem Text gelingt es Wenzel, eine poetische und doch wahre Geschichte zu erzählen. Wunderbar!

5 Sterne

Das Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom NordSüd Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür!

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